michael lissek
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zeit ist frist. mein herz. ich.
.....
. "Zeit ist Frist" ist eine radiopoetische Betrachtung
über die Randgebiete des Alltäglichen. Darüber, was uns
zusammenhält: Liebe. Freundschaft. Und eine Rolle Draht ums
Sternum. Der Autor/Regisseur/Producer Michael Lissek hat
einen literarischen Text über einen körperlichen, psychischen
und sozialen Ausnahmezustand geschrieben und ihn danach am
Mischpult sonifiziert. Kein klassisches Hörspiel. Kein
klassisches Feature. Sondern klanggewordene Literatur. Aus
seiner genuin radiophonen
Gestaltung bezieht das Stück seinen Sog. "Zeit ist Frist" nimmt in seinem Titel auf Heiner
Müller Bezug. Darüber hinaus ist der Text durchsetzt von
Zitationen anderer, sich selbst auflösender Texte: Beckett
taucht auf und verschwindet wieder, Kafkas Prügler erscheint,
"Der Zauberberg" fehlt nicht, und der Wanderer und
Fragmentkünstler Wense weht am Horizont als Zitat vorbei wie
Frankenstein auf der Flucht. Lisseks Syntax kassiert durch diese Intertextualität
jede Selbstbezogenheit - und öffnet sich einem Größeren: Der
Frage nach der eigenen, kurzen Lebenszeit sowie der Poesie des
Alltags. Daneben steht "Zeit ist Frist" im aktuellen Diskurs
über die Relevanz autobiographischen Schreibens. Darf ein Autor
Klarnamen seiner Familienangehörigen nennen? Kann die radikale
Bezogenheit auf die eigene Subjektivität überhaupt Hörer / Leser
interessieren? Diese und ähnliche Fragen werden spätestens seit der
Erfolge von Karl-Ove Knausgards sechsteiliger Romanserie
"MinKamp" diskutiert. (Aber auch Navid Kermani hat mit "Dein
Name" den Roman eines radikalen Ichsagens verfasst; oder
Stuckrad-Barre; oder Tomas Espedal; oder Thomas Melle.) "Zeit ist Frist" reflektiert auf diesen Diskurs,
diesmal aber vonseiten des Radios. "Zeit ist Frist" gibt - als
Klangwerk - eine eigene Antwort: Die Literarisierung des
Autobiographischen, seine Objektivierung, gelingt durch die
Suggestion einer zweiten Welt durch asynchrone
Erinnerungs-Klänge:
Mauersegler
fliegen vorbei, Töne überwölben den Schauplatz der Ereignisse:
Den Körper. Wie Erinnerungen, wie Fenster in eine andere
Wirklichkeit. "Fortan
klappe
ich jeden Abend eine Seite der Tischtennisklappe nach oben
und imitiere meinen Herzrhythmus
beim Solo-Ping-Pong. Wenn ich gegen mich spiele, gewinne
ich zwar. Aber wenn ich mit mir spiele, sind die
Ballwechsel länger."
*
"zeit
ist frist" wurde auf dem DOKKA-festival als
BESTE
HÖRDOKUMENTATION 2017
ausgezeichnet.
die
jury fragt:
Kann
ein Radio-Feature ohne O-Töne auskommen? Ja. Und Nein. Im
vorliegenden Fall hören wir nur einen einzigen O-Ton. Es ist
ein aussergewöhnlicher Original-Ton, denn er hat eine
literarische Form angenommen. Der Autor lässt uns teilhaben an
einer existenziellen Grenzerfahrung. Raum und Zeit lösen sich
in einem Krankenzimmer auf. Das frisch operierte Herz hebt die
Geometrie aus den Angeln. Gleichsam traumwandlerisch öffnen
sich Tore und Türen einer akustischen Imagination und die Welt
hält Einzug in dieses Krankenzimmer: plötzlich wird es
bevölkert von singenden Vögeln und lärmenden
Kindern.Persönliche Verletzbarkeit und Verletzlichkeit
transformieren zu einer universellen Reflektion über das Leben
und seine Endlichkeit: "Zeit ist Frist. Mein Herz. Ich."
Sprecher: Claudius von Stolzmann Regie & Produktion: Michael Lissek Musik: Yo la Tengo. Eels. Redaktion: Joachim Dicks NDR 2017
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