DIE TAGE DES TERRIERS.

EIN RADIOFEATURE ÜBER DIE ROLLE DER FUSSBALL-BUNDESTRAINER

von stefan fischer.

 süddeutsche zeitung, 23. Januar 2004

 

 

 
 

wenn man wissen will, wo man den besten wein trinkt und welcher das ist: „fragen Sie berti vogts!".  diesen Rat gibt der autor roger willemsen. vogts sei der größte gourmet, den er kenne, nicht nur im milieu des profifußballs. obendrein habe der ehemalige bundestrainer der deutschen fußball-nationalelf in japan trainiert, habe unter zulu gelebt, mehrfach südafrika besucht, ehe er dort zum ersten mal spielte, und in einem kibbuz gearbeitet. „gegen berti vogts ist franz beckenbauer ein provinzler."

warum nur ist die öffentliche wahrnehmung eine ganz andere? „ein völliger versager, eine jämmerliche figur", mit einem „mangel an intelligenz" lautet das von vielen geteilte harsche urteil des schriftstellers walter jens über vogts. selbst der wohlwollende michael lissek unterschätzt vogts. in seinem launigen, gleichwohl gründlich argumentierenden hörfeature „kaiser käthe terrier. welche Bedeutung haben bundestrainer?“ lässt er die nationalmannschaft bei der weltmeisterschaft 1994 bereits im achtelfinale ausscheiden, obgleich vogts sein team immerhin ins viertelfinale geführt hatte. vielleicht ist dieser fehler bis zur morgigen ursendung noch zu beheben.

das erste drittel des halbstündigen features bietet dem fan sattsam bekanntes: die drei bundestrainer beziehungsweise teamchefs beckenbauer, vogts und völler werden vorgestellt, oder genauer: ihr image. beckenbauer, der grandseigneur. vogts, der fleißige arbeiter, völler, der kumpel. „drei typische deutsche selbstbilder", sagt lissek. als kronzeuge dient sogar altkanzler helmut kohl. vor allem aber hat lissek sportjournalisten befragt: sabine töpperwien (wdr), walter m. straten (bild), philipp selldorf (sz) und philipp köster (11 freunde). bald sind lissek und der fußball-kommentator werner hansch, der hier als sprecher auftritt, an einem zentralen Punkt angelangt: fußball ist „die letzte domäne, wo deutschnationales denken, bei den meisten jedenfalls,  „positiv rüberkommt", wie es sabine töpperwien ausdrückt. der bundestrainer ist deren maßgeblicher repräsentant und mithin die identifikationsfigur für die nationale befindlichkeit.

sportlich waren alle drei trainer erfolgreich. doch einen haben die deutschen, darin eifrig befeuert von der sportpresse, als typen abgelehnt: den terrier. 1990 endete die nachkriegszeit, deren gewächs vogts war, und damit die ära des zähen fleißes, mit dem das land wieder aufgebaut worden war. auf jahre unbesiegbar sei das nationalteam, hatte beckenbauer nach dem gewinn des weltmeistertitels 1990 getönt. womöglich, legt lissek nahe, war vogts zur falschen zeit bundestrainer.

 

 

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