STATT SÜHNE. IM KAMPF GEGEN DIE GROSSEN KONZERNE.

Christian Deutschmann. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16. Januar 2003.

 

 

 
 

„I'm just a hired gun", sagt gleich zu Beginn der amerikanische Rechtsanwalt Edward („Ed") Fagan, und  mit dem Stück „Big Gun" sorgt eine Musikeinspielung leitmotivisch dafür, daß dies nicht Behauptung bleibt: das Leben, eine Rocknummer. Als Fagans Name im Zusammenhang mit den Prozessen um Entschädigung der von Nazis ausgebeuteten Zwangsarbeiter auftauchte, verbreitete er sogleich eine Aura aus Faszination und Schrecken. Denn im Rechtsstreit um die Forderungen der Naziopfer und ihrer Hinterbliebenen, aber auch in anderen Fällen, deren er sich später annahm, bediente er sich mit durchschlagender Wirkung einer Methode, die von Rechtsvertretern bis dahin eher zurückhaltend genutzt worden war: der Reduzierung von Moral und Gerechtigkeit auf wirtschaftliche Tatsachen, auf Geld. Wenn schon, so mag seine Devise lauten, im Geflecht der Konzerne Verantwortliche und Täter kaum mehr dingfest zu machen sind und „Sühne" zum abstrakten Begriff wird, dann sollte die „bare Zahlung" dafür einstehen, daß den Opfern Gerechtigkeit widerfährt. In den „class actions", den Sammelklagen von Opfern gegen Konzerne, sind es nicht nur die verhandelten Fälle, sondern auch die geforderten Summen, die dem unbefangenen Betrachter den Atem rauben.

„Class-Action Hero", das SFB-Feature von Michael Lissek, zieht alle Register, seinen Helden im Strahlenglanz einer neuen Rechtsauffassung zu postieren. Reduziert Personen auf markante Sätze. Reiht die unvermeidlichen Attribute eines kampferprobten Haudegens auf. Läßt ihn mit alten Hüten der Rechtsprechung aufräumen, um an ihre Stelle die Effizienz des Eintretens für das Gute zu setzen. Der „bad guy" als „good fellow", der auch mal die Zähne zeigen kann. Bedenken, Einwände gar wollen weder der Autor noch die von ihm zu Gehör Gebrachten anmelden. Eine auffallende Belegtheit wohnt insbesondere den Stimmen der Kollegen, Beobachter, Kontrahenten Fagans inne, die Lissek um seinen Helden herum versammelt. Zwei Gründe dafür mag es geben: zum einen, daß in der Begegnung mit dem Superanwalt dessen durchschlagendes Charisma Vorbehalte hinweggeschwemmt hat; zum anderen, daß die unbestreitbare Moralität von Fagans Auftreten alle Gedanken an persönliche Motive, Ehrgeiz, anfallende Honorare und dergleichen zunichte macht.

Dem zweifellos glänzend gebauten Beitrag Lisseks hätte es gutgetan, den Blick ein wenig mehr auf jenes Rechtssystem zu werfen, das hier so unbekümmert über Bord geworfen, als „veraltet" abgetan wird. Es sind die Mittel des Features - Lakonik der Sprache, ein harter, lustvoll die Fronten aufreißender Schnitt -, die das Loblied auf den Anwalt am lautesten anstimmen. Zweifel daran, ob hier schon alles über das Phänomen einer „neuen" Rechtsauffassung gesagt worden ist, wollen indessen auch nach dem Anhören nicht verstummen.

 

 

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